LUDWIG WITTGENSTEIN                          
                                                                      
                  LOGISCH-PHILOSOPHISCHE ABHANDLUNG                   
                                                                      
                                                                      
                    Dem Andenken meines Freundes                      
                          DAVID H. PINSENT                            
                              gewidmet                                
                                                                      
                                                                      
Motto:     . . . und alles,   was man weiss,  nicht bloss rauschen und
                 brausen gehört hat,  lässt sich in drei Worten sagen.
Kürnberger.                                                           
                                                                      
                                VORWORT                               
Dieses Buch wird vielleicht nur der verstehen,  der die Gedanken,  die
darin  ausgedrückt sind  - oder doch ähnliche Gedanken -  schon selbst
einmal gedacht hat.  -  Es ist also kein Lehrbuch.  -  Sein Zweck wäre
erreicht,   wenn es  Einem,   der es mit  Verständnis  liest Vergnügen
bereitete.                                                            
                                                                      
Das Buch behandelt die philosophischen Probleme  und zeigt  -  wie ich
glaube- dass die Fragestellung dieser Probleme auf dem Missverständnis
der  Logik  unserer  Sprache  beruht.   Man könnte den ganzen Sinn des
Buches  etwa  in  die Worte  fassen:   Was sich überhaupt sagen lässt,
lässt sich klar sagen;   und  wovon man nicht reden kann, darüber muss
man schweigen.                                                        
                                                                      
Das Buch will also dem  Denken eine  Grenze ziehen,   oder vielmehr  -
nicht dem Denken, sondern dem Ausdruck der Gedanken:Denn um dem Denken
eine  Grenze  zu ziehen, müssten wir beide Seiten dieser Grenze denken
der  Logik  unserer  Sprache  beruht.   Man könnte den ganzen Sinn des
Buches  etwa  in  die Worte  fassen:   Was sich überhaupt sagen lässt,
lässt sich klar sagen;   und  wovon man nicht reden kann, darüber muss
können (wir müssten also denken können, was sich nicht denken lässt). 
                                                                      
Die Grenze wird also nur in der  Sprache gezogen werden können und was
jenseits der Grenze liegt, wird einfach Unsinn sein.                  
                                                                      
Wieweit meine  Bestrebungen  mit denen anderer  Philosophen  zusammen-
fallen,  will ich nicht beurteilen.  Ja, was ich hier geschrieben habe
macht im Einzelnen überhaupt nicht den Anspruch auf Neuheit; und darum
gebe ich auch keine Quellen an,  weil es mir gleichgültig ist,  ob das
was ich gedacht habe, vor mir schon ein anderer gedacht hat.          
                                                                      
Nur das will ich erwähnen, dass ich den grossartigen Werken Freges und
den Arbeiten meines Freundes Herrn Bertrand Russell einen grossen Teil
der Anregung zu meinen Gedanken schulde.                              
                                                                      
Wenn diese Arbeit einen Wert hat, so besteht er in Zweierlei.  Erstens
darin,  dass in ihr  Gedanken  ausgedrückt sind,  und dieser Wert wird
umso grösser sein, je besser die  Gedanken  ausgedrückt sind.  Je mehr
der Nagel auf den Kopf getroffen ist. - Hier bin ich mir bewusst, weit
hinter dem  Möglichen  zurückgeblieben zu sein.   Einfach darum,  weil
meine Kraft zur Bewältigung der Aufgabe zu gering ist.  - Mögen andere
kommen und es besser machen.                                          
                                                                      
Dagegen  scheint  mir  die   W a h r h e i t   der  hier  mitgeteilten
Gedanken unantastbar und definitiv.   Ich bin also  der  Meinung,  die
Probleme im Wesentlichen endgültig gelöst zu haben.  Und wenn ich mich
hierin nicht irre,  so  besteht nun  der Wert dieser  Arbeit  zweitens
darin,  dass sie zeigt, wie wenig damit getan ist, dass diese Probleme
gelöst sind.                                                          
                                                                      
L. W.                                                                 
Wien, 1918                                                            
                                                                      
----------------------------------------------------------------------
                                                                      
                                                                      
1*      Die Welt ist alles, was der Fall ist.                         
        |
|
1.1 +-+
| |
        | |
1.11 | +-+
| |
        | |
1.12 | +-+
| |
        | |
1.13 | +-+
|
        |
1.2 +-+
|
          |
1.21 +-+


2       Was der Fall ist, die Tatsache,  ist das Bestehen von Sachver-
        halten.
        |
|
2.01 +--+
| |
        |  |
2.011 | +-+
| |
        |  |
2.012 | +-+
| | |
        |  | |
2.0121 | | +-+
| | |
        |  | |
2.0122 | | +-+
| | |
        |  | |
2.0123 | | +-+
| | | |
        |  | | |
2.01231 | | | +-+
| | |
        |  | |
2.0124 | | +-+
| |
        |  |
2.013 | +-+
| | |
        |  | |
2.0131 | | +-+
| |
        |  |
2.014 | +-+
| |
        |    |
2.0141 | +-+
|
        |
2.02 +--+

*   Die Decimalzahlen als Nummern der einzelnen Sätze deuten das logi-
    sche Gewicht der Sätze an, den Nachdruck,  der auf ihnen in meiner
    Darstellung liegt. Die Sätze n.1, n.2, n.3, etc., sind Bemerkungen
    zum Satze No. n; die Sätze n.m1, n.m2,  etc. Bemerkungen zum Satze
    No. n.m; und so weiter.