01|                           LUDWIG WITTGENSTEIN                          
02|                                                                        
03|                    LOGISCH-PHILOSOPHISCHE ABHANDLUNG                   
04|                                                                        
05|                                                                        
06|                      Dem Andenken meines Freundes                      
07|                            DAVID H. PINSENT                            
08|                                gewidmet                                
09|                                                                        
0A|                                                                        
0B|  Motto:     . . . und alles,   was man weiss,  nicht bloss rauschen und
0C|                   brausen gehört hat,  lässt sich in drei Worten sagen.
0D|  Kürnberger.                                                           
0E|                                                                        
0F|                                  VORWORT                               
10|  Dieses Buch wird vielleicht nur der verstehen,  der die Gedanken,  die
11|  darin  ausgedrückt sind  - oder doch ähnliche Gedanken -  schon selbst
12|  einmal gedacht hat.  -  Es ist also kein Lehrbuch.  -  Sein Zweck wäre
13|  erreicht,   wenn es  Einem,   der es mit  Verständnis  liest Vergnügen
14|  bereitete.                                                            
15|                                                                        
16|  Das Buch behandelt die philosophischen Probleme  und zeigt  -  wie ich
17|  glaube- dass die Fragestellung dieser Probleme auf dem Missverständnis
18|  der  Logik  unserer  Sprache  beruht.   Man könnte den ganzen Sinn des
19|  Buches  etwa  in  die Worte  fassen:   Was sich überhaupt sagen lässt,
1A|  lässt sich klar sagen;   und  wovon man nicht reden kann, darüber muss
1B|  man schweigen.                                                        
1C|                                                                        
1D|  Das Buch will also dem  Denken eine  Grenze ziehen,   oder vielmehr  -
1E|  nicht dem Denken, sondern dem Ausdruck der Gedanken:Denn um dem Denken
1F|  eine  Grenze  zu ziehen, müssten wir beide Seiten dieser Grenze denken
20|  der  Logik  unserer  Sprache  beruht.   Man könnte den ganzen Sinn des
21|  Buches  etwa  in  die Worte  fassen:   Was sich überhaupt sagen lässt,
22|  lässt sich klar sagen;   und  wovon man nicht reden kann, darüber muss
23|  können (wir müssten also denken können, was sich nicht denken lässt). 
24|                                                                        
25|  Die Grenze wird also nur in der  Sprache gezogen werden können und was
26|  jenseits der Grenze liegt, wird einfach Unsinn sein.                  
27|                                                                        
28|  Wieweit meine  Bestrebungen  mit denen anderer  Philosophen  zusammen-
29|  fallen,  will ich nicht beurteilen.  Ja, was ich hier geschrieben habe
2A|  macht im Einzelnen überhaupt nicht den Anspruch auf Neuheit; und darum
2B|  gebe ich auch keine Quellen an,  weil es mir gleichgültig ist,  ob das
2C|  was ich gedacht habe, vor mir schon ein anderer gedacht hat.          
2D|                                                                        
2E|  Nur das will ich erwähnen, dass ich den grossartigen Werken Freges und
2F|  den Arbeiten meines Freundes Herrn Bertrand Russell einen grossen Teil
30|  der Anregung zu meinen Gedanken schulde.                              
31|                                                                        
32|  Wenn diese Arbeit einen Wert hat, so besteht er in Zweierlei.  Erstens
33|  darin,  dass in ihr  Gedanken  ausgedrückt sind,  und dieser Wert wird
34|  umso grösser sein, je besser die  Gedanken  ausgedrückt sind.  Je mehr
35|  der Nagel auf den Kopf getroffen ist. - Hier bin ich mir bewusst, weit
36|  hinter dem  Möglichen  zurückgeblieben zu sein.   Einfach darum,  weil
37|  meine Kraft zur Bewältigung der Aufgabe zu gering ist.  - Mögen andere
38|  kommen und es besser machen.                                          
39|                                                                        
3A|  Dagegen  scheint  mir  die   W a h r h e i t   der  hier  mitgeteilten
3B|  Gedanken unantastbar und definitiv.   Ich bin also  der  Meinung,  die
3C|  Probleme im Wesentlichen endgültig gelöst zu haben.  Und wenn ich mich
3D|  hierin nicht irre,  so  besteht nun  der Wert dieser  Arbeit  zweitens
3E|  darin,  dass sie zeigt, wie wenig damit getan ist, dass diese Probleme
3F|  gelöst sind.                                                          
40|                                                                        
41|  L. W.                                                                 
42|  Wien, 1918                                                            
43|                                                                        
44|  ----------------------------------------------------------------------
45|                                                                        
46|                                                                        
47|  1*      Die Welt ist alles, was der Fall ist.                         
             |
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1.1 +-+
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             | |
1.11 | +-+
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             | |
1.12 | +-+
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             | |
1.13 | +-+
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             |
1.2 +-+
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               |
1.21 +-+


48|  2       Was der Fall ist, die Tatsache,  ist das Bestehen von Sachver-
49|          halten.
        |
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2.01 +--+
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        |  |
2.011 | +-+
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        |  |
2.012 | +-+
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        |  | |
2.0121 | | +-+
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        |  | |
2.0122 | | +-+
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        |  | |
2.0123 | | +-+
| | | |
        |  | | |
2.01231 | | | +-+
| | |
        |  | |
2.0124 | | +-+
| |
        |  |
2.013 | +-+
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        |  | |
2.0131 | | +-+
| |
        |  |
2.014 | +-+
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        |    |
2.0141 | +-+
|
        |
2.02 +--+

4A|  *   Die Decimalzahlen als Nummern der einzelnen Sätze deuten das logi-
4B|      sche Gewicht der Sätze an, den Nachdruck,  der auf ihnen in meiner
4C|      Darstellung liegt. Die Sätze n.1, n.2, n.3, etc., sind Bemerkungen
4D|      zum Satze No. n; die Sätze n.m1, n.m2,  etc. Bemerkungen zum Satze
4E|      No. n.m; und so weiter.